Bauingenieur 10 (1990)

Schardt, R.: Verallgemeinerte Technische Biegetheorie.

XIII, 360 S., zahlr. Abb., Berlin, Heidelberg, New York: Springer 1989. Geb. DM 98,-.

Dieses Buch stellt eine beachtliche Weiterentwicklung unseres Theoriengebäudes für prismatische Stab- und Flächentragwerke dar, aber nicht in dem Sinne, daß eine weitere Einzelberechnungsmetho-de für spezielle Tragwerksformen aufgezeigt wird, vielmehr werden bekannte Theorien für Balken, Faltwerke und auch für Schalen auf Gemeinsamkeiten hin durchleuchtet und neu geordnet. Die Verallgemeinerte Technische Biegetheorie (VTB) gestattet eine einheitliche Betrachtungsweise für diese Gebiete und kennzeichnet sie als Teilbereiche eines übergeordneten Systems.

Grundlage ist die Entwicklung von Wölbfunktionen, denen nicht nur orthogonale Wölbwiderstände, sondern auch orthogonale Querbiegewiderstände zugeordnet sind. Bereits die bekannte Vorgehens-weise für die Ermittlung des Schwerpunktes, der zwei Biegehauptachsen und des Schubmittelpunktes stellt eine Orthogonalitätsbedingung dar, durch die Längung von Biegung, die Hauptträgheitsmo-mente und Biegung von Torsion getrennt werden. Diese Beanspruchungsarten entsprechen 4 "Starr-körper" -Vor-gängen, nämlich Verschiebung in x-Richtung, Verdrehung um die y- und z-Achse und die Verwölbung. Mit der VT B gelingt es nun, diese Orthogonalisierungsvorgänge für Ordnungen höher als 4 zu erweitern und damit auch die Profilverformungen zu erfassen.

Die für den orthogonalen k-ten Grundverformungszustand sich ergebende Differentialgleichung 4. Ordnung ist identisch mit der des elastisch gebetteten Balkens unter Querlast mit Wirkung einer Zugnormalkraft, wenn unter Bettung allgemein ein elastischer Widerstand verstanden wird. Beim Zylinder unter rotationssymmetrischer Belastung ist dieser bekanntlich die Ringsteifigkeit des Zylin-ders. Die Dgl. wird bevorzugt gelöst mit dem Differenzen-Verfahren, von dem eine Version mit höhe-rer Genauigkeit programmierfertig dargestellt ist.

Dieses Buch ist das Ergebnis langjähriger intensiver Forschungstätigkeit des Verfassers. Es ist nicht einfach zu lesen und erfordert Durchhaltevermögen, obwohl der Leser gleich zu Anfang mit didaktischem Geschick neugierig gemacht wird. Hat er es aber geschafft, die Leistungsfähigkeit der VT B zu erkennen, "dann wird" - so schreibt der Verfasser im Vorwort - "wie nach einer Bergwanderung der Blick frei in ein weites wohlgeordnetes Land, in dem man vorher nur von Hügel zu Hügel sehen konnte". Hierzu trägt die saubere Diktion und klare Definition der Begriffe bei, die in einem Glossar zusammengestellt sind. Dieses Buch ist ein "Muß" für jeden an der Theorie interessierten Bauingenieur. Lernprogramme, die angeboten werden, erleichtern die Einarbeitung in eine Theorie, die für viele praktische Aufgaben vereinfachte Lösungen bietet.

G. Lacher, Hannover


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